Das logische Bild

Himmel, Fotografie von Martin Eller, Aulendiebach, 2017.

In meinen Bildern geht es vorwiegend um Logik und Relationen. Logische Bilder zeigen das, was a priori als Gegenstand im Bild möglich gewesen wäre, nämlich ausschließlich Relationen der logisch-physikalischen Natur, d. i. die Gesamtheit aller physikalischen Grundbedingungen: Die Vorstellung der Natur als logisch-physikalische Struktur, in der alles – Zeit, Steine, Tiere, Sterne – nicht ist, sondern geschieht (was z. B. die moderne Schleifenquantenphysik zu beweisen versucht). Das hat weitreichende Konsequenzen. Bild ist danach immer abbildendes Bild. Dann ist auch Schluss mit der Sonderstellung des Geistes, dem „Leib-Seele-Problem“, dem modernen Menschen als genialem, sich selbst überragendem Schöpfer; auch die KI ist dann nur ein abbildendes Bild.

Die Bildzeichen haben im logischen Bild Funktionsform, sie verhalten sich relativ zum Abgebildeten: Bilder der Form (∃x) ; ƒ(x). Nicht die „Erhabenheit der Natur“, oder irgend ein anderer metaphysischer Unsinn, sondern das einfache so-sein der Natur selbst – so wie sie sich uns im wahrnehmbaren elektromagnetischen Wellenspektrum darbietet – erscheint mir überhaupt der je einzig mögliche Bildgegenstand zu sein. Mit der Notation (∃x) ; ƒ(x) bezeichne ich das logische Bild, so wie Wittgenstein mit ähnlicher Notation den logischen Satz bezeichnete. Alle gestalterische Arbeit, welche ästhetische Ansprüche erhebt, folgt m. E. notwendig der einen existenzquantifizierten Multifunktion (∃x) ; ƒ(x):

  • Das logische Bild kann auch das natürliche Bild genannt werden (M. E. Außer der Zeit, Satz 6.2.11.3.5).

Vor diesem Hintergrund kann m. E. die Malerei nicht als Realismus, Naturalismus oder Mimesis verkürzend missverstanden werden.

Von (∃x) ; ƒ(x) ist (∃x) ; ƒ(x) → x'B präziser abzuleiten, wobei B für das Bild steht (→ „es existiert mindest ein x; x wird transformiert als x' auf B abgebildet“).

Die folgenden Sätze sind die Kerngedanken zum logischen Bild:

  • (2.1.14) Das mögliche natürliche Bild ist das logische Bild; es besteht aus den konvergierenden Ergebnissen aller Natur­wissenschaften.
  • (6.2.10) Logik eröffnet das mit der Wirklichkeit übereinstimmende logische Bild.
  • (6.2.11) Das logische Bild bildet die Logik ab.
  • (6.2.11.1) Daß die Logik durch das logische Bild abgebildet wird, ist u. a. daran zu sehen, daß ein der Geometrie widersprechendes Bild unmöglich ist.
  • (6.2.11.2) Das logische Bild zeigt das, was a priori als Gegenstand im Bild möglich gewesen wäre.
  • (6.2.11.2.1) Malerei a priori gibt es nicht.
  • (6.2.11.3.1) Es gibt kein logisches Bild mit einer falschen Darstellung wie es keines gibt, das einem anderen logischen Bild widerspricht.
  • (6.2.11.3.4) Logische Bilder sind ausschließlich von logischen Zuständen möglich – also von den Relationen der logisch­-physikalischen Struktur.
  • (6.2.11.3.5) Das logische Bild kann auch das natürliche Bild genannt werden.
  • (6.2.11.4) Die Form des logischen Bildes ist: (∃x); ƒ(x).
  • (6.2.11.5.2.1) Das logische Bild ist eine Tautologie (p ⇒ p‘ ∨ p’⇒ p) ; es ist immer „wahr“ (oder wahrscheinlich) ­ oder es ist kein logisches Bild.
  • (6.2.12) Die Fotografie ist logische Konsequenz, die dem logischen Bild am wahrscheinlichsten entspricht.
  • (6.3.14) Die Masse der Kunstwerke sind nicht­-logische Bilder.

(Satznummern beziehen sich auf M. E., Außer der Zeit).

Aus diesen Schlussfolgerungen ergibt sich die technische Inferiorität der Malerei und anderer bildenden Künste gegenüber der Fotografie. Anders als die indirekte, kulturell bedingte, durch psychologische Momente transformierteund zeitaufwendige Malerei, kann die Fotografie zum Beispiel die Lage von Objekten auf der Projektionsfläche, die geometrischen Verhältnisse also, zu einem definierbaren Zeitpunkt im ganzen physikalisch erfassbaren elektromagnetische Wellenspektrumexakt fixieren. Eine weitergehende Schlussfolgerung ist, daß jede Formung / Umformung von Stoff (und daraus resultierende Änderungen von Stoffverteilungen, Kraftfeldern, Schallwellen oder elektromagnetischen Wellen) dasselbe ist: Gestaltung, welche physikalische Wirkprinzipien verwendet, um nachzubilden. Das Bild ist immer Nachbildung und zeigt eine Abbildung von einer Idee, einer gedanklichen Harmonie, eines physischen Sachverhaltes der Wirklichkeit wie zum Beispiel zufällig fließende Farbe, eine Landschaft oder das Portrait eines Menschen – oder eine brennende Giraffe mit Schubladen am Hals; auch das ist Widerspruchsfrei möglich.

Allerdings geht es um Kunst. Nicht irgendwelche technische oder dokumentarische Qualitäten soll den Bildern eignen, die als Kunstwerke gedacht sind. Es geht bei Kunstbildern allein um die Anmutung, im Sinne von Walter Benamin, definiert in dessen Schrift Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Das ist unbestreitbar Domäne der Malerei und nur in zweiter Linie der Fotografie (oder digitaler Videotechnik).