Der vorliegende Beitrag ist aktualisiert auf die neue Gesetzesänderung, gültig ab dem 01.01.2025. Sie können den alten Beitrag, gültig von 2014 bis 2024, hier als PDF herunterladen: ↓PDF, 110 kB
Was ist Kunst?
Das Umsatzsteuergesetz regelt im Ausnahmekatalog, was fiskalisch Kunst ist (Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände). Unter Nr. 53 in dieser Liste stehen die „Kunstgegenstände“ die zu 7% USt abzurechnen sind:
- Gemälde und Zeichnungen, vollständig mit der Hand geschaffen, sowie Collagen und ähnliche dekorative Bildwerke
- Originalstiche, -schnitte und -steindrucke
- Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art
Der Ausnahmekatalog definiert Originalität und Handarbeit als Merkmale der Kunstgegenstände, die mit dem verminderten Umsatzsteuer gefördert werden. Die Signatur der Künstler/innen auf den Originalwerken macht diese zu urheberrechtlich geschützten Urkunden.
Die Änderung der Änderung
An der Definition von Originalkunstwerken und am Steuersatz von 7% wurde nichts geändert, weder 2014 noch 2025. Es wurden durch die geänderte Besteuerung 2014 nur gewerbliche Handelsgeschäfte erfasst. Galerien und Kunsthändler, die sich mit dem Kommissionsvertragsrecht im Handelsgesetzbuch auskannten und mit ihren Künstler/innen auf Augenhöhe umgingen, konnten m. E. auch zwischen 2014 und 2024 Kunsterke zu 7 % Umsatzsteuer veräußern ( ↓PDF, 110 kB ) Dazu gingen die Meinungen von Steuerberatern, Finanzämtern und Fachliteratur jedoch erheblich auseinander, z. B.:
Im gewerblichen Kunsthandel (z. B. Galeristen und Kunsthändler) kommt der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht mehr zur Anwendung.
HAUFE, Umsatzsteuer bei Kunstgegenständen und Sammlungsstücken
Daraus leiteten willfährige Steuerberater ab, daß generell alles um Kunst mit 19 % USt abzurechnen sei. Und der verminderte Steuersatz von 7% für Romane und Großhandelskommissionen im Buchhandel? Das sei etwas anderes, so die Behauptung mancher Fachleute, die aber zum Nachweis nie einen Gesetzestext oder ein BFH-Urteil dazu angeben konnten.
Da die Gegenwartskünstler/innen üblicherweise nichts mit gewerblichem Kunsthandel durch Handelsgewerbebetriebe zu tun haben, traf das diejenigen, die mit HGB-konformen Kommissionsverträgen arbeiteten, nicht zu.
Euphorische Freude
Die Bundesregierung kündigte 2024 eine große Errungenschaft für den Kunsthandel an, ein wichtiges Signal für den Kunsthandel und die kulturelle Leistung der Galerien. Es war wohl dringend Zeit, daß diese unhaltbaren Zustände beendet werden:
Es galt also, die zwischen Künstler:innen und ihren Vermittler:innen gerissene Kluft zu heilen.
[sic!] Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V., Ermäßigte Mehrwertsteuer für den Kunstmarkt im Jahressteuergesetz 2024
Was auch immer der letzte Anstoß war: der Gesetzgeber hat die kafkaesken Formulierungen in § 12 Abs. 2 Nr. 12 u. 13 UStG gestrichen.
Es bleibt aber noch abzuwarten, ob die Künstler/innen etwas davon haben – oder ob die Galerien einfach ihre Preise beibehalten und mittels der Steuersenkung ihre eigenen Erlöse verbessern. Daher und aus Gründen der Unabhängigkeit sollten die Künstler/innen aktiv werden und selbst abrechnen, in dem sie selbst die Vertragsbedingungen bestimmen und Kommissionsverträge ausstellen. Das ist m. E. erforderlich, um am Geschäft mit der Kunst auf angemessene Weise zu partizipieren.
Künstler/innen finden die notwendigen Hilfen für die Einrichtung ihres eigenen kaufmännischen Kommissionsvertragswesens alle Informationen in der PDF-Artikelsammlung → Beiträge zum Geschäftsalltag der Künstler/innen.
Nicht betroffen war und bleibt die eigentliche Aufgabe des Kunsthandels
Die eigentliche Aufgabe von Galerien und Kunsthandlungen ist ihre Vermittlungstätigkeit, den Erstverkauf von Kunstwerken der Gegenwart zu organisieren. Für diesen Bereich, nämlich zur Förderung der Gegenwartskunst, ist der verminderte Steuersatz eingeführt worden. Beim Erstverkauf liefern Künstler/innen (Urheber) neu erschaffene eigene Werke bei Galerien oder Kunsthandlungen zum Verkauf ein. Kaum ein solches Werk wird aber von einer Galerie oder einer Kunsthandlung bei Künstler/innen angekauft, um dann mit einem Handelsaufschlag weiterverkauft zu werden. Das wäre Kunsthandel. Vielmehr nehmen die Galerien und Kunsthandlungen die weitaus größte Zahl der neuen Werke in Kommission. Die Besonderheiten des Kommissionsgeschäfts nach HGB ermöglichen, Provisionsabrechnungen zwischen Kunsthandel und Künstler/innen genauso vorzunehmen, wie Verkaufsabrechnungen zwischen Kunsthandel und Käufer: zum verminderten Umsatzsteuersatz.
Verkauf auf Rechnung eines Dritten
Das Kommissionsgeschäft ist ausführlich im Handelsgesetzbuch erläutert (§ 383 ff HGB). Essentielle Regelungen daraus sind aber im Geschäftsalltag unbekannt oder finden wenig Beachtung, weil man glaubt, alles aus Erfahrung über das Kommissionsgeschäft zu wissen. Wer denkt aber ständig daran: die Verkäufe aus einer Kommission erfolgen auf den Namen des Kommissionärs, also der Galerie oder Kunsthandlung, aber auf Rechnung des Kommittenten, der Künstler/innen also (§ 383 Abs. 1 HGB). In diesem Paragraphen ist auch unter Abs. 2 erklärt, dass jedes Kommissionsgeschäft nach HGB abzuwickeln ist, auch zwischen Partnern, die keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb führen, also mit Ihrer Firma nicht im Handelsregister stehen, wie es bei Künstler/innen typischerweise, bei Kunsthändlern häufig der Fall ist.
→ Kommissionsvorlagen für den Kunsthandel ↓PDF, 56 kB und Kommissionsrecht im Kunsthandel ↓PDF, 58 kB.
Wenn der Kunsthändler (Kommissionär) auf Rechnung der Künstler/in eine Kommission aus einem HGB-konformen Kommissionsvertrag ausführt, gelten dieselben Regeln zur Umsatzbesteuerung, die für die Künstler/in (Kommittent/in) anzuwenden sind, welche Kunstwerke nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Anl. 2 lfd.Nr. 53 in Kommission geben:
Die Steuer ermäßigt sich auf 7 Prozent für die folgenden Umsätze: 1. die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände …
§ 12 Abs. 2 Satz 1 UStG mit Anlage 2 Nr. 53
Vermittler versus Händler
Der Kunsthandels-Kommissionär tritt als Vermittler für neue Kunstwerke zeitgenössischer Künstler/innen auf, nicht als Händler und damit nicht als Wiederverkäufer. Er kommt damit seiner eigentlichen Aufgabe nach, der Vermittlung der Gegenwartskunst. Ein Händler würde das Risiko, einen Kunstgegenstand zu teuer gekauft oder zu billig verkauft zu haben oder gar nicht verkaufen zu können, als ein Wiederverkäufer alleine tragen. Beim Kommissionsgeschäft kommen diese Risiken aber den Kommittenten zu, den Künstler/innen:
Um einen Wiederverkäufer handelt es sich nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG bei einem Unternehmer, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit üblicherweise Gebrauchtgegenstände erwirbt und sie dann im eigenen Namen verkauft oder versteigert.
HAUFE, Umsatzsteuer bei Kunstgegenständen und Sammlungsstücken
Der Kommissionär, eine Galerie oder Kunsthandlung, die Kunstwerke von Künstler/innen in Kommission nach dem HGB nimmt, ist definitiv kein Wiederverkäufer. Der Kommissionär führt rechtlich einen Geschäftsbesorgungsauftrag für die Künstler/innen aus, für den nur in so weit Haftung besteht, wie die übliche Sorgfalt ordentlicher Kaufleute bei solchen Aufträgen anzuwenden ist (§ 384 HGB). Schon die Versicherung des Kunstwerkes etwa ist nur dann Pflicht des Kommissionärs, wenn ihn der Kommittent hierzu ausdrücklich angewiesen hat (§ 390 Abs. 2 HGB).
Für die Geschäftsbesorgung erhält der Kunsthändler eine Provision (§ 396 HGB), er erzielt keinen Handelserlös. Seine Handlungsfreiheit ist eingeschränkt (§ 385 HGB), Künstler/innen haben ihm gegenüber ein Weisungsrecht. Er ist Kunstvermittler, kein Händler, auch deshalb, weil der Verkaufspreis von den Künstler/innen festgelegt ist und dem Kunstvermittler keine Abweichung davon ohne Rücksprache mit den Künstler/innen erlaubt bzw. gesetzlich eingeschränkt ist (§§ 385 u. 386 HGB). Verkauft er vorteilhafter zu einem höheren Preis, steht der Mehrerlös den Künstler/innen zu (§ 387 HGB).
Dringende Empfehlung aus jahrzehntelanger Praxis für alle, die mit Kommissionsverträgen umgehen: Lesen Sie aufmerksam die §§ 383 ff. HGB.
Aus all dem ergibt sich, das für die Ausführung von Kommissionen mit Kunstgegenständen, die ein Kunsthändler von Künstler/innen aus derenen eigenem Werk mittels HGB-konformen Vertrag in Kommission genommen hat, auch weiterhin in allen Teilen die Berechnung des verminderten Mehrwertsteuersatzes von 7% gilt, auch bei der Provisionsabrechnung.
In der Praxis
Dem Kommittenten steht nach dem Gesetz der volle Erlös zu, wenn der Kommissionär ein Werk verkauft, gerade auch, wenn er teurer verkauft, als ursprünglich vorgesehen (§ 387 HGB). Gleichzeitig schuldet die Künstler/in (Kommittent/in) ab diesem Zeitpunkt die vereinbarte Provision. Nach dem Gesetz müsste der Kunsthändler also zuerst den Verkaufserlös in voller Höhe an die Künstler/in bezahlen, worauf dieser die Provision an den Händler zurückzahlt. In der Praxis wird dies einfach durch Verrechnung im Kontokorrentverfahren (§ 355 HGB) gelöst, der Kunsthändler bezahlt bei Verkauf des Werkes einfach die Differenz des Verkaufserlöses abzüglich der Provision.
Zumeist wird dabei so vorgegangen, daß der Verkaufspreis in Absprache zwischen Galerie und Künstler/in als Bruttopreis vereinbart wurde, also inklusive der Mehrwertsteuer. Bei dem beschriebenen Verrechnungsverfahren sind Teile dieser Mehrwertsteuer in der Zahlung an den Künstler/in sowie in der vom Kunsthändler einbehaltenen Provision enthalten. Beide führten Ihren Anteil als erlöste Mehrwertsteuer an das Finanzamt ab.
Einwendungen der Finanzämter und anderer Zweifler
Sollte dennoch diese Vorgehensweise einzelnen Finanzämtern missfallen, kann das Problem dadurch gelöst werden, in dem der Kunsthändler bei Verkauf des Werkes an die Künstler/innen den vollen Nettoverkaufserlös abzüglich seiner Nettoprovision zuzüglich der gesamten Mehrwertsteuer auszahlt, damit die Künstler/innen diese ihrem Finanzamt abführen können. Die Provision muss dabei sowohl in den Büchern des Händlers wie der Künstler/innen als umsatzsteuerfreie Provision gebucht werden. Das ändert bei beiden die Umsatzrechnung, der Gewinn bleibt bei beiden unverändert.
Dies ist die analoge Vorgehensweise zu der Agenturlösung, die von manchen Steuerberatern empfohlen, aber nur von wenigen Galerien verwendet wird. Die Galerie tritt als Agentur für Kunstwerke der Künstler/in A auf. Dazu muss auf der Ausgangsrechnung der Hinweis stehen, daß die Galerie im Namen und für Rechnung der Künstler/in A verkauft. Dazu muss m. E. nicht die Steuernummer / Anschrift der Künstler/in A auf der Rechnung angegeben werden, wie man oft in der Fachliteratur liest: Ein Kunstwerk ist rechtlich eine einmalige Originalurkunde, keine Handelsware. Einwendungen von Finanzämtern hierzu können abgewiesen werden, in dem den Ämtern per Elster alle Abrechnungen bei der Umsatzsteuererklärung oder -voranmeldung einfach mit vorgelegt werden.
Anmerkung: dieses wie auch das oben beschriebene reguläre Verfahren der Kommissionsabrechnung ist nicht durchführbar, wenn der Künstler die sogenannte „Kleinunternehmerregelung“ nach § 19 UStG in Anspruch nimmt, weshalb Künstlern nicht zuletzt deshalb davon abzuraten ist.
Wenn gar nichts anders hilft, rechnet man die Provision eben getrennt vom Verkauf ab: Bei Verkauf erhalten die Künstler/innen von der Galerie den gesamten vereinnahmten Verkaufspreis, inklusive der 7% Umsatzsteuer, die der Käufer an die Galerie bezahlte. Zeitgleich erhält die Künstler/in die Provisionsrechnung der Galerie, zu dem Umsatzsteuersatz, der dem Finanzamt oder Steuerberater richtig erscheint. Die Künstlerin zahlt dies Provisionsrechnung bei Vorlage sofort an die Galerie aus, wie ja auch die Galerie bei Verkauf aus Kommission sofort zu Auszahlung an die Künstlerin verpflichtet ist (§ 384 Abs. 2 HGB – der vom Kunsthandel so gerne vernachlässigt wird).
Das bizarre an dem Getue um die Umsatzsteuer ist die Tatsache, daß Galerien fiskalisch nennenswerte Umsätze mit Gegenwartskunst eigentlich nur mit umsatzsteuerpflichtigen Künstler/innen machen, welche damit zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (§ 15 UStG). Es ist also vollkommen gleichgültig, ob Provisionen zu 0%, 7% oder 19% USt abgerechnet werden: Was die Galerien von Künstler/innen an Umsatzsteuer auf Provisionen erhalten und abführen, behalten die Künstler/innen an Vorsteuer bei ihrer Umsatzsteuererklärung wieder ein!
Das Beitragsbild ist „Der Geldwechsler und seine Frau“ von Quentin Massys (ca. 1466 bis 1530)