Frühnebel im Winter, Digitalfotografie aus 2020 (unbearbeitet)

Frühnebel

Andrei Tarkovski bezeichnete einmal seine Lieblingsstimmung: den Frühnebel im Sommer, bei Sonnenaufgang. Wie in mehreren seiner Filme zu sehen. Frühnebel ist zu jeder Jahreszeit eine schöne, melancholische Stimmung. Im Winter dauert er aber gewöhnlich länger an, was mehr Zeit zur Betrachtung lässt. Um so angenehmer war es, da ich dieses Bild vom Balkon einer warmen Wohnung am kleinen Hermes fotografierte, wo ich hinter dem großen Wohnzimmerfenster auf den richtigen Moment warten konnte.
Irgendwann werde ich diese Szene malen.

Das ist jetzt auch schon wieder ein paar Jahre her, es ist quasi versiegelte Zeit, so mag es von außen betrachtet werden; ein Blick nicht in die, sondern in eine Vergangenheit. Da meine Erinnerungen mir jederzeit gegenwärtig sind, sehe ich dieses Bild zeitnah, nicht als Vergangenheit. Die heutige Überbetonung des unbedingten Zeitbezuges von allem und jedem, gerade die Versessenheit auf Aktualität ist für ich genauso befremdlich, wie die ständige und unbelegte Behauptung, daß alle wirkliche Kunst notwendig politisch sei. Wozu denn noch Bilder machen, wenn sie nur zu Dokumentationszwecken, dem jammern über davon eilende Zeit und zu einfältigem politisieren dienen?

Die versiegelte Zeit. Gedanken zur Kunst, zur Ästhetik und Poetik des Films, aus dem Russischen übersetzt von Hans-Joachim Schlegel. Ullstein, Berlin/Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-550-06393-8, bearbeitete Neuausgabe: Alexander, Berlin 2009, ISBN 978-3-89581-200-2.